Stand: 28.11.2023 15:41 Uhr| vom
Bauchgrummeln, Blähungen, Durchfall: Hinter diesen Symptomen kann eine Unverträglichkeit gegenüber Fruchtzucker stecken. Die sogenannte intestinale Fructoseintoleranz lässt sich durch einen Atemtest feststellen.
Schätzungsweise 30 bis 40 Prozent der mitteleuropäischen Bevölkerung können Fruchtzucker über den Dünndarm nicht richtig aufnehmen. Eine Fructose-Intoleranz wird manchmal im Laufe des Lebens erworben. Man spricht dann auch einer Fructose-Malabsorption. Kommt noch eine funktionelle Störung des Darms hinzu, dann treten Unverträglichkeitsreaktionen auf. Im Gegensatz zur erworbenen Fruchtzuckerunverträglichkeit steht die äußerst seltene angeborene Form: hereditäre Fructoseintoleranz (HFI).
Symptome der Fructoseintoleranz: Übelkeit, Völlegefühl und Krämpfe
Nach dem Verzehr von fructosehaltigen Lebensmitteln treten bei Betroffenen typische Beschwerden auf: Übelkeit, Völlegefühl, Bauchgeräusche und Blähungen, Unterbauchkrämpfe und Durchfälle. Auch Müdigkeit, Niedergeschlagenheit, Konzentrationsstörungen und psychische Veränderungen wie Antriebslosigkeit oder gar Depression können mit der Fructose-Malabsorption einhergehen.
Die Fructose-Intoleranz kann sich zu einem Reizdarmsyndrom fortentwickeln. Relativ häufig haben Betroffene außerdem zugleich einen zu niedrigen Folsäure- und Zinkspiegel, was zu Mangelerscheinungen und Infektanfälligkeit führen kann.
Fructose-Malabsorption ist vorübergehende Stoffwechselstörung
Im Unterschied zur Lebensmittelallergie ist bei einer Unverträglichkeit keine Abwehrreaktion des Immunsystems verantwortlich, sondern eine Stoffwechselstörung. Bei der Fructose-Malabsorption ist die Aufnahme von Fruchtzucker aus dem Darm in die Blutbahn gestört. In der Dünndarmwand befinden sich Transporteiweiße, die die Nährstoffe aus dem Nahrungsbrei aufnehmen und durch die Wand hindurch befördern. Die verschiedenen Transporter sind für unterschiedliche Nährstoffe zuständig, der Fructose-Transporter zum Beispiel heißt GLUT-5.
Sind von diesen Proteinen nicht ausreichend viele vorhanden oder sind sie defekt, dann bleibt Fruchtzucker im Nahrungsbrei und wandert weiter in den Dickdarm, der von Bakterien besiedelt ist. Die freuen sich über die süße Mahlzeit und produzieren daraus ihrerseits Gase wie Wasserstoff oder Methan sowie kurzkettige Fettsäuren, die den osmotischen Druck ansteigen lassen. So entstehen Beschwerden wie Blähungen, Völlegefühl und Durchfälle.
Wenn das Transporteiweiß GLUT-5 nicht funktioniert, wird auch die essenzielle Aminosäure Tryptophan nicht richtig aufgenommen. Sie ist eine Vorstufe für den körpereigenen Stimmungsaufheller Serotonin, der uns das Gefühl von Gelassenheit, innerer Ruhe und Zufriedenheit vermittelt. Das erklärt den Zusammenhang mit der Psyche.
Wasserstoff-Atemtest zur Diagnose
Die Fructose-Aufnahme kann nur vorübergehend verschlechtert sein, etwa infolge einer gestörten Darmflora nach einer Magen-Darm-Infektion oder Antibiotika-Einnahme. Sie kann aber auch dauerhaft sein. Ob verzehrte Fructose - anders als vorgesehen - in den Dickdarm gelangt, lässt sich mit einem sogenannte Wasserstoff-Atemtest feststellen. Unter ärztlicher Aufsicht nehmen Betroffene nüchtern ein Glas in Wasser aufgelösten Fruchtzucker ein. Anschließend wird über einen Zeitraum von zwei Stunden in Abständen der Gehalt an Wasserstoff im Atem gemessen. Anhand der sich ergebenden typischen Kurve kann der Arzt auf eine Fructose-Malabsorption schließen. Da durch bestimmte Bakterien im Darm aus dem Wasserstoff allerdings Methangas gebildet werden kann, ist eine ergänzende Überprüfung der Methanmenge in der Atemluft sinnvoll. Damit ist die Diagnose nahezu 100Prozent sicher.
Angeborene Fructoseintoleranz: Lebenslange Diät notwendig
Im Gegensatz zu der seltenen angeborenen HFI vertragen Betroffene bei der erworbenen Fructose-Intoleranz noch Restmengen von Fruchtzucker. Denn zum Teil kann die Fructose auf dem Glukose-Transporter GLUT-2 "mitfahren". Bei der HFI dagegen nimmt der Körper die Fructose zwar komplett auf, kann sie aber aufgrund eines Enzymstörung (Defekt oder Fehlen von Aldolase B) nicht weiter verstoffwechseln. HFI-Betroffene müssen deshalb lebenslang eine streng fructosearme Diät einhalten. Oft lehnen sie schon als Kinder instinktiv Obst ab. Die Diagnose einer HFI wird durch einen molekulargenetischen Test gesichert.
Behandlung von Fructoseintoleranz: Keine Tabletten
Anders als bei einer Lactoseintoleranz gibt es gegen Fructoseintoleranz keine Tabletten. Stattdessen müssen Betroffene ihre Fructose-Aufnahme im Blick behalten. Fruchtzucker kommt nicht nur in Früchten vor, sondern auch in einigen Gemüsen und beispielsweise in Honig, Haushaltszucker, in Invertzucker(sirup), Maissirup, als Zuckeraustauschstoff in diversen Süßwaren, Gebäck, Tütensuppen und sonstigen Fertigprodukten.
Bei einer Frucose-Malabsorption wird auch Sorbit nicht vertragen. Sorbit (E 420) ist ein sogenannter Zuckeralkohol, der insbesondere in Kernobst wie Birnen, Äpfeln, Pflaumen, Pfirsichen und Aprikosen steckt. Außerdem ist er in zahlreichen industriell hergestellten Lebensmitteln als Zuckeraustauschstoff oder Feuchthaltemittel zu finden und dient als Trägerstoff für Arzneimittel. Es ist für Betroffene also dringend notwendig, beim Einkauf immer die Zutatenlisten zu lesen. Beim Identifizieren der Fructosequellen hilft eine Liste.
Besserung durch Auslassdiät
Die Ernährungstherapie bei einer Fructose-Malabsorption hat gute Erfolgsaussichten. Sie erfolgt in drei Stufen: eine vierwöchige Auslassphase (Karenzphase), in der auf Fructose und auf Sorbit verzichtet wird. Anschließend folgt eine Testphase: über sechs bis acht Wochen werden nach und nach fructosehaltige Lebensmittel wieder eingeführt.
Nach etwa zehn Wochen sollte der Speiseplan möglichst wieder ausgewogen und abwechslungsreich zusammengestellt sein (Dauerernährung). Fruchtzuckerhaltige Lebensmittel sollten günstigerweise weiterhin mit Eiweiß wie Joghurt oder Quark kombiniert werden, dann ist die Fructose besser bekömmlich. Außerdem sollten Betroffene möglichst darauf achten, nicht mehr Fructose als Glukose zu konsumieren. Hilfreich ist dabei, mehr Gemüse als Obst zu verzehren und den Konsum von Fertigprodukten einzuschränken.
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Expertinnen und Experten zum Thema:
Prof. Tanja Kühbacher, Medius Klinik Nürtingen
Gastroenteorologin
Auf dem Säer 1
72622 Nürtingen
Tina Sartorius, Medius Klinik Nürtingen
Ernährungswissenschaftlerin
Auf dem Säer 1
72622 Nürtingen
Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Visite | 28.11.2023 20:15
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